Nachlese

16.09.2020 12:00 - Uhr

Ich hab ein knallrotes…

 

Wencke Myhre hatte 1999 mit Ihrem Gassenhauer sichtlich Spaß beim Singen. Auch Michael Ferner ging davon aus, dass sein spontaner Einfall mit dem Kanu 2000 Kilometer entlang der Küsten des Ionischen Meeres zu fahren, eine ganz witzige Sache sein könnte. Zu Beginn zumindest. Vielen Künstlern wird ja nachgesagt, dass sie Herausforderungen aller Art mit einem gewissen Laissez-faire begegnen. Michael ist einer davon. Die geerdeten Einwände seiner Frau, so eine Abenteuerfahrt könnte die eine oder andere Unannehmlichkeit für Michael bereithalten, schlug er in den Wind. Oder in seinem Fall – in die Wellen. Packliste geschrieben, Boot besorgt, etwas Training auf der Salzach – los geht’s.

Zum Zweck der Beweisführung, ob der tatsächlichen Ausführung seiner Reise, setzte Michael auch noch den Leica-Fotografen Marc Stickler auf seine Packliste. Dieser begleitete ihn per Beiboot am Anfang seiner Reise und am Ende. Dazwischen sorgte Michaels Handy für die Fotodokumentation. Herausgekommen ist eine sehr bunte, manchmal berührende und zu jederzeit überaus authentische Fotostrecke, die zwar, das gehört sich einfach, die Schönheit der besuchten Küstenabschnitte und Orte festhält, aber vielmehr noch kleinteilige Momente, wie zum Beispiel Feste und Menschen, denen Michael auf seiner Reise begegnet ist. Das und der Umstand, dass Michael eine ausgeprägte kabarettistische Ader hat, machen seinen Vortrag von Anfang an sehr kurzweilig und zugleich unerwartet persönlich, manchmal fast intim. Die unkomplizierte und direkte Weise, seine Erlebnisse in pointierte Episoden zu verpacken und die Menschen zu charakterisieren, die er auf seinem Weg zu Freunden gemacht hat, geben den Zuschauern das Gefühl, tatsächlich mit im Boot gewesen zu sein.

Apropos Freunde. Noch ein Künstler prägt die Anmutung dieses Abends entscheidend mit. Marko Govorčin passt zu diesem Programm wie die berühmte Faust auf’s Auge. Nicht nur, dass er als Bosnier diesen humorvoll-gerissenen Menschenschlag verkörpert, dem Michael immer wieder begegnet, das Universalgenie Govorčin ist zudem ein toller Gitarrist und charismatischer Sänger und gibt sein musikalisches Repertoire in sage und schreibe 40 Sprachen (manche sprechen von einer Million) zum Besten. Damit ist Marko nicht nur willens, sondern auch in der Lage Michaels lange Fahrt auf das brillanteste musikalisch zu begleiten. Griechisch, albanisch, kroatisch – Michael wünscht, Marko hat das passende Lied in der passenden Sprache auf Lager.

Und so erzählt Michael von Whisky-Cola-Orgien (Wasser ist mancherorts Mangelware), von Fischern mit leicht intransparenten Lebensläufen, von einem Hafenmeister der ihm manchen Weg ebnet, von Chauffeuren mit kurzgeschlossenen Fahrzeugen, von einem Musiker, der sich als Bootswache verdingt, von einer verkauften Helena und so vielen anderen wunderbaren Begegnungen mit teils tragischen, teils witzigen Lebenshintergründen. Michaels Fahrt, und das macht diesen Abend so spannend und ergreifend, ist vielmehr als eine Beschreibung der Anstrengungen und Fährnisse, die der sympathische Künstler meistern musste, es ist eine Sammlung buntester Schicksale und Lebenseinstellungen. Was macht da schon ein gebrochenes Ruder oder dass die Dusche auf der Fähre gerade die Größe eines halben Tramezzino maß. Wer zur richtigen Zeit auf die richtigen Menschen trifft, dem kann eigentlich gar nichts passieren…

(mw)