Eine musikalische Spurensuche

Julia Lacherstorfer | SPINNERIN [a female narrative]

Freitag, 09. Oktober 2020 | 20:00 Uhr

Julia Lacherstorfer | SPINNERIN [a female narrative]

Wer alle Fäden in der Hand hält, hat sein Leben im Griff – verliert man hingegen den Faden, gerät der Erzählfluss ins Stocken. Derartige Redewendungen verweisen auf ein altes, ursprünglich ausschließlich von Frauen ausgeführtes Handwerk – nämlich jenes, des Spinnens. Während verheiratete Frauen dieser Tätigkeit in ihrem eigenen Zuhause nachgingen, trafen sich die Unverheirateten in sogenannten Spinnstuben, um gemeinsam der Handarbeit nachzugehen. Die nahezu meditative, sich verselbstständigende Arbeit ermöglichte dabei vor allem einen Rahmen, in dem Frauen sich verbal austauschen konnten. Auf diese Weise wurden nicht nur Fäden, sondern vor allem Geschichten gesponnen, die vom Leben erzählen. In unseren Volksmärchen steht das Spinnrad deshalb symbolisch für den Kreislauf des Lebens und für das Geschichtenerzählen an sich, für Anfang und Ende – Leben und Tod.

In ihrem Solo-Projekt „Spinnerin“ begibt sich Julia Lacherstorfer auf eine musikalische Spurensuche nach einer weiblichen Perspektive im österreichischen Liedgut und wirft zunächst Fragen auf: Wo sind all die Lieder, die von Verlusten und Überforderungen, Sehnsüchten und vom stillem Ertragen einerseits, andererseits von Verführung, Wut und Verweigerung erzählen? Warum sind so wenig Geschichten und Lieder überliefert, in denen sich Weiblichkeit selbst definieren darf? In der volksmusikalischen Landschaft Österreichs wimmelt es zwar von Liebesliedern, in denen junge Mädchen besungen und umworben werden. Beschrieben wird dann das stille, herzige Dirndl, das kokettiert, dessen Körper wie eine Landschaft beschrieben wird und in einem Feldzug erobert werden will. Den Lebensrealitäten von erwachsenen Frauen wiederum begegnet man in Küchen- und Schlafliedern, die uns von Hausarbeit und Fürsorge erzählen. In den meisten Volksliedern jedoch wird das alltägliche Leben aus einer männlichen, aktiven Perspektive geschildert – die weibliche Dimension bleibt eindimensional und passiv gezeichnet. Wer sich also auf die Suche nach einer weiblichen Perspektive im österreichischen Liedgut macht, muss sich seinen Weg erst ebnen.

Mit dem Geist einer Ethnomusikologin, Respekt und künstlerischer Weitsicht beforscht Julia Lacherstorfer die Vergangenheit, um vergessen Geglaubtes sowohl musikalisch, als auch narrativ in die Gegenwart zu transferieren und erlebbar zu machen. Ihre musikalischen Mittel sind dabei so vielfältig, wie die Lebensrealitäten jener Frauen*, deren Geschichten sie erzählt.

Mitwirkende:
Julia Lacherstorfer, Komposition, Geige, Gesang
Sophie Abraham, Cello, Gesang
Lukas Froschauer, Sounddesign, Live-Elektronik

 

Julia Lacherstorfer

Schon von Kindesbeinen an erfährt Julia Lacherstorfer Musik in ihren mannigfaltigsten Ausprägungen eingeflochten in die Selbstverständlichkeit des Alltäglichen. Im Traunviertler Elternhaus werden seltsam anmutende Klänge wie das Schnarren der Drehleier des Vaters, das Klackern des Spinnrades der Mutter oder das aus dem Obergeschoß dringende Akkordeonspiel des Großvaters zu vertrauten Klängen und Geräuschen, die Julias Kinderohren prägen. Beide Elternteile sind volksmusikantisch aktiv, so werden Tanzboden und Bühne zu vertrautem Terrain und der Austausch mit anderen Musikgruppen über Landesgrenzen gepflegt. In der unerschöpflichen Plattensammlung des Vaters offenbart sich der heranwachsenden Julia ein musikalisch reichhaltiger Kosmos, den sie sich nach und nach zu eigen macht. Auf den jährlich stattfindenden Musikant*innenwochen entpuppt sich schließlich die Geige als bevorzugtes Instrument und Ventil ihres kreativen Ausdrucks.

Bis heute schöpft Julia Lacherstorfer Kraft und Inspiration aus den musikalischen Erfahrungen ihrer Kindheit und aus der volksmusikalischen Tradition ihrer Heimatregion, ohne dabei den Sinn für Gegenwärtiges zu verlieren. Die Unmittelbarkeit und das freie Spiel des Musikant*innentums findet sie später in der improvisierten Musik wieder; mehr als in der klassischen, sogenannten E-Musik. Nach einem Schulmusik-Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien setzt die schon in jungen Jahren bühnenerfahrene Musikerin ihren Ausbildungsweg donauaufwärts an der Anton Bruckner Universität in Linz im Fach Jazz und improvisierte Musik fort.

Mit der Gründung des Ensembles ALMA und des Duos Ramsch und Rosen erfüllt sich Julia Lacherstorfer einen langjährigen Wunsch, nämlich, sich an der Seite jener Partner*innen künstlerisch zu professionalisieren, denen sie sich musikalisch und menschlich am nächsten fühlt. Mit ihnen gemeinsam widmet sie sich der Verwertung traditioneller Aspekte in der österreichischen und europäischen Volksmusik und achtet dabei stets auf die Transportierbarkeit in die heutige Zeit.

Als Komponistin lotet Julia Lacherstorfer die Grenzen zwischen Vertrautem und Unerwartbarem aus, zwischen der Eingängigkeit traditioneller Melodien und der Unberechenbarkeit, die improvisierter Musik innewohnt. Als Performerin legt sie besonderen Stellenwert auf den Bezug zum Publikum, lässt Bilder und Assoziationen zu, um ihre Musik nachvollziehbar und erlebbar zu machen. Mit ihren preisgekrönten Ensembles bespielt sie etablierte Konzertbühnen (Musikverein, Konzerthaus, Brucknerhaus, Porgy & Bess u.a.) und konzertiert international (Dänemark, Schweden, Irland, Spanien, Armenien, Peru, Mexiko, USA).

Nicht zuletzt durch ihre langjährige Tätigkeit als Workshop-Referentin im Bereich Volksmusik, Jodeln und Improvisation und durch die Übernahme der Intendanz des Festivals wellenklænge in Lunz am See seit 2018 nimmt Julia Lacherstorfer nun auch Einfluss auf das aktuelle Musikgeschehen, indem sie Musiker*innen und Künstler*innen eine Plattform bietet. Als Performerin und Komponistin besticht sie durch ihre Spielfreude, Virtuosität und künstlerische Neugierde und ist deshalb aus der österreichischen Musikszene längst nicht mehr wegzudenken.

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