Nachlese

14.10.2018 10:31 - Uhr

Die Ritter vom Orden des Pop

Da sind sie wieder, die acht Ritter in ihrer schimmernden schwarzen Wehr. Hoch zur Bühne künden sie dem andächtig lauschenden Hofstaat von ihren Abenteuern in den Gefilden der Popkunst. Gestärkt von einem herzhaften Frühstück bei Tiffanys (den Vorstand übernahm Sir Breitfuß mit feinsilbrigem Klang) geben sie ihren Stimmen die Sporen und galoppieren gen Kastillien, um der schönen Isabella ihre Aufwartung zu machen. Der Hofstaat folgt in atemloser Bewunderung.

 

Doch keine Zeit zu verweilen. Eben noch erläuterte Sir Herbst aus dem reichhaltigen Fundus seiner ritterlichen Weisheit dem Publikum Herkunft und Wesen des Pop, schon folgte der schwarze Bund dem Ruf Ihrer Vorfahren, der Brotherhood Of Man und betörte das anwesende Weibsvolk mit einem Aufruf an die Tugend der Keuschheit, namentlich „Save Your Kisses“. Der Hofstaat, dem Charisma der Rittersleut‘ erlegen und damit der vornehmen Zurückhaltung beraubt, wieherte aufgeregt wie ein Streitross vor der ersten Schlacht.

 

Und so folgte der fröhliche Tross der „Yellow Brick Road“, die Sir Öschlberger - beseelt vom Geist Sir Elton Johns - so gekonnt zu Gehör brachte, dass Lady „Mary Lou“ am Wegesrand vor ekstatischer Verzückung in die „Streets Of London“ entfloh, bevor sie Gefahr lief, ihrer Beherrschung verlustig zu gehen. Ein Schicksal, dem der Hofstaat zu dieser Zeit bereits anheimgefallen war. Jetzt bedurfte es eines (Stevie) Wonders und „You Are The Sunshine Of My Life“, um in die Schar der entflammten Lauscher wieder Ruhe einkehren zu lassen. Ein wohl allzu hehres Ziel, denn die glockenhelle und betörend zärtliche Kunde der acht Troubadoure entfachte die Leidenschaft im Saal nur noch um ein weiteres.  Auch Sir Herbst vermochte, als Herold der stolzen Runde, durch besonnene Rede dem Treiben keinen Einhalt zu gebieten und rief nach „Kokomo“ und „Operator“ zur Unterbrechung des Spektakels, um die Gemüter zu beruhigen.

 

Wenn Stimmlos den Pop zur Ikone des Abends erklärt, wissen die erfahrenen Zuhörer im Publikum - und die bilden die große Mehrheit - dass dem Pop, im Verständnis der Herren in Schwarz, praktisch jegliches Liedgut nach 1900 zuzuordnen ist, sofern es nicht in Aramäisch verfasst ist oder einer uralischen Sprachgruppe angehört. So ist auch das Programm Männerpop einmal mehr ein wundervoll bunter Streifzug durch alles, was Männer- und Frauenherzen höher schlagen lässt.

 

So gesellte sich zu den vorab erwähnten Stücken nach der Pause ein bezauberndes „‘s Leben Is Wia A Traum“, dass so berührend von der Bühne klang, dass sich die Komplexität des Arrangements nur erahnen ließ. Und ein weiteres Mal war es ganz allgemein die spielerische Leichtigkeit und humorvolle Interpretation der durch die Bank äußerst herausfordernden Stücke, mit denen die Herren von Stimmlos ihr hochklassiges Können unter Beweis stellten. Seit Jahren ist es die Kombination von gelungenem Entertainment und feinster Vokalkunst, mit der die schwarzen Ritter ihr Publikum begeistern. Die Nähe zum Publikum demonstriert, dass es nicht unbedingt „Lonely At The Top“ sein muss, auch wenn man „Mundgeruch“ hat und sei es jener von Rainhard Fendrich oder Sir Forsthuber aus den Höhen die „Schickeria“ besingt.

 

Zumeist ist es so, dass die Arrangements der Stimmlosen die Originale um ein vielfaches übertreffen, sowohl im Ausdruck aber erst recht in der Vielschichtigkeit. So wird zum Beispiel Hubert Kahs recht einfacher „Sternenhimmel“ in der Interpretation von Stimmlos ein ausuferndes Gespinst feinster Nuancen und Übergaben. Und in dieser Tonalität geht es weiter bis zum Schluss inklusive der Zugaben. Das Publikum ist außer Rand und Band, wenn Jürgens und Qualtinger zu Gast sind und tobt wenn Sir Pötzelsberger zum affigen Hüftschwung ansetzt. Da sagt noch einer das Rittertum wäre ausgestorben.

(mw)