Nachlese

12.12.2022 09:00 - Uhr

Am Ende des Weges ist Stille

Ob man Stille einen Klang verleihen kann? Nun, der Physiker würde meinen – nein. Entweder Ton oder Still. Der Bauch sagt, man kann oder besser Jütz kann. Das Ensemble spielt mit der Stille auf seine ganz eigene Weise, führt den Zuhörer zu einem Ort der Ruhe, indem es den Weg dahin musikalisch beschreibt. Erst einmal wird man mit volksmusikalischen Klängen abgeholt. Und obgleich Jütz diese nicht in ihrer Urform wiedergibt, sondern mit bluesigen und jazzigen Verzierungen auf die Reise schickt, bleibt alles erkennbar. Die Interpretationen werden freier, der Weg zur Stille wird breiter, die Instrumente werden gewechselt, immer öfter setzen vokale Passagen Akzente auf dem Weg zu Stille.

Die Formation bleibt seinen Anleihen aus verschiedenen Stilrichtungen den ganzen Abend treu, trotzdem blitzen immer öfter Elemente von bekannten Weihnachtsliedern durch den Raum. Dort klingelingt das Glöckchen, da rieselt der leise Schnee, der Weg zur Stille zeichnet sich immer deutlicher ab, bleibt aber nicht ohne Windungen, zum Beispiel in Form eines lebendigen A-Cappella-Stücks. Die Musiker*innen bedienen sich neben ihren Stimmen einer ganzen Reihe von Instrumenten, um ihre Auffassung von Stille für das Publikum hörbar werden zu lassen. Isa Kurz (Geige, Akkordeon, Hackbrett), Philipp Moll (Kontrabass) und Daniel Woodtli (Trompete, Flügelhorn, Stimme, Hackbrett) sehen die SÜSSE STILLE nicht als akustischen Zustand, sondern vielmehr als einen Ort der bedächtigen Ruhe, dessen Existenz sie durch immer wieder eingeflochtene Aufregung beweisen. Ganz so wie ein Bildhauer das Vorhandensein einer Skulptur unter Beweis stellt, indem er bearbeitet, was deren Sichtbarwerdung vorerst noch im Weg steht. Je mehr der Abend seinem Enden entgegen geht, desto klarer wird das Bild. Jütz offeriert die Stille nicht als hörbare Eigenschaft, sondern führt den Zuhörer zur Erkenntnis, dass sie jedem von uns als ganz individueller Zustand innewohnt. Und am Ende waren wir dort…

(mw)